HUBER.HUBER

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huber.huber and the authors

Findling

2010
Froh Ussicht, Samstagern CH
[Exhibition: FINDLING (VANITY NO.1): Huber.Huber],
huber.huber, Zürich CH. 2010
Text Mirjam Varadinis (Curator Kunsthaus Zürich)
German Edition 100 numbered copies / Edition: 100 nummerierte Exemplare inklusive einer Farbfotografie
24 pages / 24 Seiten

Back to the Future 

Wer erinnert sich nicht an die "Back to the Future"-Trilogie. An Marty McFly, gespielt von Michael J.Fox, der mit seinem verrückten Freund Dr. Brown abenteuerliche Zeitreisen unternimmt. Während es im ersten Teil zurück in die Vergangenheit geht, verschlägt es die beiden im Teil II,der 1989 entstand (also im Jahr des Berliner Mauerfalles), in die Zukunft. Mit ihrem aufgetunten De Lorean flitzen sie durch die Zeitbarriere ins Jahr 2015, um dort ein Verbrechen zu verhindern. Als sie wieder zurück in der Gegenwart ankommen, merkt McFly, dass ein Relikt aus der Zukunft mitgereist ist: ein düsengetriebenes Super-Skateboard. Dieses passt sowenig in die 80er Jahre, in denen McFly eigentlich lebt, wie der "Findling (Vanity No.1)" von huber.huber auf die Wiese beim Bauernhof "Zur frohen Aussicht" am oberen Zürichsee. Wie ist dieses farbig glänzende Objekt bloss dahingekommen? Handelt es sich auch um ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit? In seiner schrill glänzenden Farbigkeit erinnert der Stein jedenfalls an die bunten 80er Jahre, an Lipgloss, Leggings und Neonsonnenbrillen. Er könnte gut mit Michael J. Fox alias Marty McFly und dem De Lorean in unsere Zeit gereist sein. Gleichzeitig ist da aber die Form des Steines, die etwas völlig Urtümliches hat. Sie ist abgerundet, weil der Findling vor Urzeiten von einem Gletscher über eine weite Strecke transportiert worden war. So vereinigt "Findling (Vanity No.1)" ganz unterschiedliche Zeiten und Zeitlichkeiten. Einerseits erinnert er an die Ur- und Frühgeschichte der Menschheit und die sehr langsamen, über Jahrtausende stetig fortschreitenden Bewegungen und Veränderungen von Gletschern und Gesteinen, andererseits verweist die glänzende Oberfläche auf die rasante Geschwindigkeit von schnellen Autos, wie sie unterhalb der "Frohen Aussicht" auf der Autobahn A3 vorbeiflitzen. Die beiden Künstler dazu: "Der lackierte Stein widerspiegelt den Widerspruch des Tempos und der relativen Zeitspanne unseres modernen Zeitalters."

Der Lack, den huber.huber für die Oberfläche verwendet haben, wird denn auch unter dem Namen "Vanity" verkauft. Es ist ein hochmodernes und teures Pigmentgemisch, das gerne für getunte Autos verwendet wird, weil es einen Chamäleoneffekt erzielt: dh. je nach Standort des Betrachters wechselt jeweils die Farbe von sattem Grün in sattes Violett. Die Bezeichnung "Vanity" spielt hier also durchaus im doppelten Sinne, sowohl in der Bedeutung von Vergänglichkeit wie auch Eitelkeit.

Das Vanitas-Thema taucht bei huber.huber bereits in früheren Arbeiten auf. Auch die Untersuchungen zur Beziehung von Natur und menschlicher Zivilisation bzw. Natur und Wissenschaft/Technik sind für ihr Schaffen zentral - wie z.B. die Serie "Handhabung" (2007/2009) deutlich macht. Der Bauernhof "Froh Aussicht", wo huber.huber die Arbeit "Findling (Vanity No.1)" zeigen, ist selber fast ein Sinnbild dieses Konfliktes. Der Hof liegt in einer eigentlich idyllischen Landschaft, nicht weit von Zürich. Doch mitten durch die Landschaft zieht sich wie eine jähe Narbe die Autobahn A3. Unter diesem Blickwinkel hat der auf der Wiese zwar bunt glänzende, aber gerade in seiner schönen Oberfläche vergängliche Findling auch etwas von einem Grabstein für die Idylle der Natur.

Mit der Platzierung des industriell gesprayten Steines mitten auf dem natürlichen Grün des Feldes nehmen huber. huber zudem das Prinzip der Collage wieder auf - eine Technik, die für ihr Werk grundlegend ist. Die Collage verbindet eigentlich nicht Zusammenhängendes oder gar Widersprüchliches zu einem neuen Sinneszusammenhang. Das geschieht bei huber. huber, indem sie - wie hier im Buch - Landschaftsaufnahmen alter Fotos mit Bildern getunter Autos aus dem Internet zusammenfügen oder eben indem sie einen bunt lackierten Findling mitten auf einer grünen Wiese platzieren. Das Vermischen von Vergangenheit und Gegenwart bzw. verschiedenen Formen von Zeitlichkeit zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das ganze Werk. Genauso wie Dr. Brown in "Back to the Future" gelingt es auch huber.huber immer wieder, das Zeit-Raumkontinuum zu durchbrechen und uns auf eine Zeitreise zu entführen.